Denken ist das Gespräch zwischen mir und mir selbst

Was meint der griechische Philosoph Platon damit?
„Zwischen mir und mir selbst“ – damit betont er den nicht gleich offensichtlichen UNTERSCHIED. 
Kann dieses FÜR und WIDER in mir ein sinnvoller Prozess sein? Wie gesagt, „kann“ und muss nicht. Denken scheint ein leicht störbarer Vorgang zu sein, selbst die Unsicherheit belastet schon. Wir lieben Klarheiten!
Umso verführerischer ist es, nach Spiegelungen zu suchen, d.h. nach Bestätigungen seiner selbst. „Soziale“Medien sind dabei eine „hilfreiche“ Erfindung, uns eine angenehmere „Geschichte“ erzählen zu können mithilfe vieler Likes. Tut das nicht gut?

Aber gleichzeitig beschleicht mich die Angst, unbemerkt in eine Blase zu rutschen und die Spiegelungen für Wirklichkeit zu halten. Keine Angst, diese Verzerrungen tun nicht weh!

AUTONOMIE hingegen ist oft mühsam, sich zu hinterfragen, wenn wir so zufrieden sind mit uns, mit all dem Zuspruch und den vielen Likes. Nur keine Grübeleien, kein ABER, nur keine anstrengenden Komplexitäten. Und sagte nicht jemand Wichtiger: „Die wichtigsten Dinge sind meist ganz einfach“!
Autonomie fordert vor allem die Bereitschaft, sich der eigenen Unsicherheit zu stellen, sie auszuhalten anstelle von sie zu entsorgen.

UNSICHERHEIT – gar eine TUGEND?

Daran angenähert hat mich die Arbeit mit Menschen, wenn es darum ging, diese zu verstehen in ihrem Sein und Geworden-Sein. Ich habe mich dagegen gewehrt und wie oft habe ich mich getäuscht, vor allem, wenn es um Diagnosen ging. WATZLAWICK warnte oft vor diesen Etiketten, die vorgeben, eine Wirklichkeiten abzubilden, die es so meist gar nicht gibt. D.h. nicht, dass Diagnosen nicht auch wichtig sind, aber vielleicht sollte man den damit verbundenen Unsicherheiten RAUM geben.

Warum unsere Kinder Tyrannen werden“ war 2008 das meistverkaufte Sachbuch, der Autor der Psychiater Michael Winterhoff, der in Folge des Erfolgs das Tyrannenthema in mehreren Büchern rauf und runter spielte, mehr als eine Mil­lio­n Exemplare wurden verkauft.

Zu tausenden pilgerten Pädagoginnen in seine Vorträge und haben ihm recht gegeben. Nun war es sonnenklar, Kinder werden zu Hauf zu Tyrannen erzogen von Eltern, die symbiotisch verstrickt sind mit ihren Kindern. Ich hab es nie verstanden.

Diese Spiegelungen – welch fataler Irrtum!
Daran ist nicht nur dieser Autor Winterhoff beteiligt, ebenso auch die Abnehmer*innen seiner einfachen „Wahrheit“, aber nicht die behandelten und geschundenen Kinder. Auch viele Talkshows boten ihm gerne Bühne, seine Formel vom Steckenbleiben im frühkindlichen Narzissmus und der Symbiose mit schwachen Eltern breit zu treten. Wer soviel Erfolg hatte, musste ja recht haben. Und der Erfolg in unserer Gesellschaft schützte ihn vor Hinterfragung seiner Annahmen und lieferte gleichzeitig Kinder in Not aus.

Und in diesem Sinne waren meine Vorbehalte Leichtgewichte im Vergleich zu dem „besten Kinderpsychiater“. Bis auf einmal, wo es gelang, ein Projekt einer Päd. Hochschule mit Winterhoff zu verhindern.

Apropo Wahrheit: Nun stellt sich in den Vorwürfen und Anklagen Betroffener gegen Winterhoff heraus, dass es keine Psychotherapie gab, sondern vor allem das Wundermittel Pipamperon, ein sedierendes Neuroleptikum, Kindern verabreicht über Jahre hinweg auf Basis des selbst erfundenen Diagnoseetiketts „Frühkindlicher Narzissmus“ und „Symbiose mit den Eltern“.
WATZLAWICK: „Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel“.

Viele Jahre passierte nicht viel, bis die Journalistin Nicole Rosenbach mit Betroffenen und Fachleuten eine Dokumentation drehte über die verborgene Seite, über das, was man nicht sehen wollte, was aber den Unterschied macht.

Hier geht es zu ausgezeichnete WDR-Dokumentation darüber (ARD-Mediathek) 

Wir sehen wohl nur das, was wir sehen wollen, nie die Wirklichkeit.

So schließt sich der Kreis beim Titel des Beitrags: „Denken ist das Gespräch zwischen mir und mir selbst“ – hören wir hin, was der andere Teil in uns sagt.