Wer sich sozial ausgeschlossen fühlt, leidet stärker unter Krankheits-Symptomen.
In einem Experiment infizierten Forscher Testpersonen mit Erkältungsviren. Für Personen, die in psychologischen Tests als einsam bewertet wurden, fühlte sich die Erkrankung schlimmer an.
Andere Studien liefern Hinweise dafür, dass Einsamkeit die Anfälligkeit für diverse Leiden steigert und die Abwehrkräfte schwinden.
Von Werner Bartens
Einsamkeit hat viele Schattenseiten. Wer sich von der Gemeinschaft ausgeschlossen und isoliert fühlt, bei dem leidet nicht nur die Seele, auch das körperliche Wohlbefinden wird dadurch erheblich beeinträchtigt. Sogar eine banale Erkältung fühlt sich dann schlimmer an. Zu diesem Ergebnis kommen Psychologen der Rice University im Fachmagazin Health Psychology (online). Vermutlich hat der Ausdruck, „verschnupft“ zu sein, daher seine doppelte Bedeutung.
„Es ist zwar schon länger bekannt, dass Einsamkeit die Wahrscheinlichkeit erhöht, an diversen chronischen Leiden zu erkranken und früher zu sterben“, sagt Angie LeRoy, die an der Studie beteiligt war. „Aber wir wollten wissen, wie sich dieses Gefühl auf eine vorübergehende akute Erkrankung auswirkt, die wir alle kennen und für die wir alle empfänglich sind.“ Die Forscher um den Psychologen Chris Fagundes ließen Freiwillige an einer originellen Untersuchung teilnehmen: 159 Erwachsene gaben zunächst ihre sozialen Interaktionen an. Zudem wurde in ausführlichen Evaluationen erfasst, wie einsam sie waren. Anschließend wurden sie via Nasentropfen mit Erkältungsviren infiziert und kamen fünf Tage zur Quarantäne in ein Hotelzimmer.
Nach kurzer Zeit entwickelten tatsächlich 75 Prozent aller Teilnehmer eine Erkältung. Wer vorher aufgrund der psychologischen Tests als besonders einsam eingestuft worden war, litt jedoch auffallend stärker an Husten, Schnupfen, Heiserkeit. Wenige Kontakte und das Gefühl der Isolation führten dazu, dass die Symptome eines grippalen Infektes schlimmer empfunden wurden. Leichter angesteckt wurden die Einsamen hingegen nicht.
Die Zahl der Freunde bei Facebook sagt nichts über Einsamkeit aus
Das Gefühl der Einsamkeit war interessanterweise auch bei jenen Menschen vorhanden, die zwar etliche Bekannte haben, sich aber nicht wirklich aufgehoben und in die Gemeinschaft integriert wähnen. Auch die Zahl der „Freunde“ und „Follower“ in sozialen Netzwerken sagte nichts darüber aus, wie einsam sich die Menschen tatsächlich fühlten. „Wir haben auf die Qualität und nicht die Quantität der Beziehungen geachtet. Man kann sich auch in einem überfüllten Raum einsam fühlen“, sagt Angie LeRoy. „Die subjektive Wahrnehmung ist das, was zählt.“
Die Psychologen wollen den Blick dafür schärfen, dass bei Patienten immer auch die psychische Verfassung eine Rolle spielt, wenn sie krank in Praxis oder Klinik kommen. „Wir haben hier einen gezielten akuten Stressreiz, der auf eine bestimmte Verfassung, nämlich die Einsamkeit trifft“, sagt Psychologe Fagundes. Und bereits bei einer banalen Erkrankung wie zum Beispiel einer Erkältung zeigen sich erstaunliche Unterschiede.
In früheren Untersuchungen hatten Wissenschaftler gezeigt, dass einsame Menschen auch empfindlicher auf Schmerzreize reagieren. Ihre Schmerzschwelle ist durch das Gefühl der Isolation verändert, sodass die Ausgrenzung geradezu körperlich nachempfunden wird. „Ausgrenzung tut physisch weh“, sagt beispielsweise Naomi Eisenberger von der University of California in Los Angeles. Wer von anderen abgelehnt wird, bei dem werden die Nervenbahnen für Schmerzen empfänglicher; die Wissenschaftlerin spricht deshalb von „sozialen Schmerzen“.
Andere Studien liefern Hinweise dafür, dass Einsamkeit die Anfälligkeit für diverse Leiden steigert und die Abwehrkräfte schwinden. Fühlen sich Frauen in ihrer Partnerschaft nicht aufgehoben und zu wenig verstanden, erkranken sie öfter an Infekten – von der Bronchitis bis zur Blasenentzündung. Die Seele weint dann, sagen psychosomatisch orientierte Ärzte.